Studie: Forschende der RPTU entwickeln Motor mit quantenmechanischem Antrieb

Foto der Autoren der Studie im Labor
Professor Artur Widera (rechts) mit Jennifer Koch (Erstautorin der Studie, links) und Sian Barbosa (Mitte), beide aus seiner Arbeitsgruppe, sowie Dr. Eloisa Cuestas, (Mitautorin aus Okinawa, vorne).

Die Quantenphysik setzt sich mit den Naturgesetzen im atomaren und subatomaren Bereich auseinander. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse haben beispielsweise die Entwicklung von Computerchips, Kernspintomografen oder Navigationssystemen ermöglicht. An der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau forschen Professor Dr. Artur Widera und seine Arbeitsgruppe zur Quantenphysik. In einer aktuellen Forschungsarbeit präsentieren sie einen Quantenmotor, der sich nicht im klassischen Sinne mit thermodynamischen Prinzipien beschreiben lässt. Der Antrieb erfolgt quantenmechanisch, nicht durch Wärmeübertragung. Das zugehörige Paper ist im Fachmagazin Nature erschienen.  

Klassische Motoren sind Wärmekraftmaschinen und folgen den Gesetzen der Thermodynamik. Sie wandeln die beim Verbrennen von Kraftstoff freiwerdende Wärmeenergie über Verdichtung in einem Kolben in mechanische Energie oder Bewegungsenergie um. Die Idee eines Motors in die Quantenwelt zu übertragen, ist nicht neu. Professor Artur Widera hatte bereits in einer vergangenen Forschungsarbeit gezeigt, dass es möglich ist, eine Quantenwärmemaschine stabil und effizient zu betreiben. Jetzt ist es ihm und seiner Arbeitsgruppe gemeinsam mit Kollegen der Universität Stuttgart und des Okinawa Institute of Science and Technology in Japan gelungen, einen Quantenmotor zu entwickeln, der als Antrieb ein anderes, rein quantenmechanisches Phänomen nutzt.

Energiedifferenz als Antrieb

„In der Quantenwelt bzw. auf atomarer Ebene unterscheiden wir zwei Klassen von Teilchen: Bosonen und Fermionen“, erläutert Jennifer Koch, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe und Erstautorin der Studie. „Diese unterscheiden sich in einer Eigenschaft und zwar ihrem Eigendrehimpuls oder Spin.“ Kommt eine Vielzahl an Bosonen und Fermionen jeweils in einer sogenannten Atomfalle in ultrakalter Umgebung zusammen (in der thermische Effekte keine Rolle spielen), passiert Folgendes: „Werden die Bosonen nicht von thermischer Energie gelenkt, bleiben sie energetisch im Grundzustand und gesellen sich zueinander“, erklärt die Physikerin. „Die Fermionen hingegen folgen dem Pauli-Prinzip.“ Das Pauli-Prinzip besagt, dass sich zwei identische Fermionen nicht im gleichen Energiezustand befinden können. Stattdessen entfernen sie sich voneinander und nehmen dabei verschiedene Anregungszustände bzw. steigende Energieniveaus ein. Der entscheidende Knackpunkt für die Forschung: „Der Gesamtenergiebetrag des Fermionen-Ensembles ist höher“, resümiert Koch.

Um die Energiedifferenz zwischen den unterschiedlichen Teilchen-Ensembles zu erschließen, nutzte das Forscherteam die Tatsache, dass Fermionen unter geeigneten Versuchsbedingungen wandlungsfreudig sind. Die Physikerin erklärt: „Wir haben die Fermionen jeweils paarweise vereint – dadurch sind Bosonen entstanden. Damit haben wir eine quantenmechanische Alternative zum Zünden eines Kraftstoffs geschaffen, mit der sich unser Quantenmotor betreiben lässt.“

Thermodynamik – ja oder nein?

Der „Proof of Concept“ ist somit gelungen. Was passiert mit den Erkenntnissen? „Im Moment sind wir von einer konkreten Anwendung zwar noch entfernt, weil unsere Entwicklung nur unter speziellen Versuchsbedingungen funktioniert. Ich bin aber überzeugt, dass in unserer Grundlagenforschung wertvolles Potenzial steckt, das Anregungen für neue Anwendungen in der Festkörperphysik geben kann, beispielsweise in Supraleitern, wo ebenfalls fermionische Elektronen als Paare den Strom verlustfrei leiten“, zieht Widera Bilanz. „Unser Motor hatte im Vergleich zu einer Standardmaschine bereits eine gute Leistung. Und je mehr Teilchen die Ensembles enthalten, desto höhere Energieniveaus und damit Energieausbeuten lassen sich erreichen“, sagt Widera. Professor Eric Lutz, einer der Koautoren der Studie, ergänzt einen weiteren Aspekt: „Das Thema ist aus Sicht der Wissenschaftscommunity extrem spannend. Damit stoßen wir eine Diskussion darüber an, wie die experimentellen Resultate überhaupt fachlich einzuordnen sind. Können wir die Gesetzmäßigkeiten der Thermodynamik heranziehen? Wenn nicht, wie beschreiben wir dann die Prozesse, die unseren Motor zum Laufen bringen?“ Und Professor Thomas Busch, dessen Arbeitsgruppe aus Japan an der theoretischen Modellierung beteiligt war, fügt hinzu: „Diese Fragen helfen, das Wissen um die Welt der kleinsten Teilchen voranzubringen und zu verstehen, wie wir deren Eigenschaften für weitere technische Innovationen nutzen können.“

Gemeinsam zum Erfolg

Dem Kaiserslauterer Forschungsteam, dem die Projektleitung oblag, gehörte neben Professor Artur Widera und Jennifer Koch ebenso Sian Barbosa an. Zu den Projektpartnern zählten Forschende vom Okinawa Institute of Science and Technology (OIST) in Japan – Professor Thomas Busch, Eloisa Cuestas, Keerthy Menon und Thomas Fogarty. Sie lieferten die theoretischen Modelle für den Versuchsansatz. Ebenso beteiligt war Professor Eric Lutz von der Universität Stuttgart (Theoretische Physik), der seine Expertise in der Thermodynamik einbrachte.

Die Studie „A quantum engine in the BEC-BCS crossover“ ist in der renommierten Fachzeitschrift Nature einsehbar: https://www.nature.com/articles/s41586-023-06469-8

Bibliographische Informationen zur erschienenen Studie:
A quantum engine in the BEC-BCS crossover
Jennifer Koch, Keerthy Menon, Eloisa Cuestas, Sian Barbosa, Eric Lutz, Thomas Fogarty, Thomas Busch, and Artur Widera
Nature, Volume 621 Issue 7980, 28 September 2023
DOI: 10.1038/s41586-023-06469-8
 

Fragen beantworten:
Dipl.-Phys. Jennifer Koch
Tel.: 0631 205 5272
E-Mail: jekoch(at)rptu.de

Prof. Dr. Artur Widera
Tel.: 0631 205-4130
E-Mail: widera(at)rptu.de

 

Über die RPTU

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Foto der Autoren der Studie im Labor
Professor Artur Widera (rechts) mit Jennifer Koch (Erstautorin der Studie, links) und Sian Barbosa (Mitte), beide aus seiner Arbeitsgruppe, sowie Dr. Eloisa Cuestas, (Mitautorin aus Okinawa, vorne).