Entdeckung von magnonischen Supraströmen bei Raumtemperatur

Supraströme kennt man von den physikalischen Phänomenen der Supraleitung und der Suprafluidität. Diese waren bisher jedoch nur bei sehr tiefen Temperaturen zugänglich. Der OPTIMAS-Arbeitsgruppe um den Kaiserslauterer Physiker Burkard Hillebrands ist es erstmals experimentell gelungen, bei Raumtemperatur neuartige Supraströme nachzuweisen. Diese Forschungsergebnisse, die gemeinsam mit Theoriekollegen aus Israel und der Ukraine an magnonischen Bose-Einstein-Kondensaten erzielt wurden, eröffnen neue Ansätze für die Informationstechnologie.

Die Arbeiten bauen auf der von Hillebrands und seinem Team konzipierten Supramagnonik auf. Dies ist eine Weiterentwicklung der von ihnen grundlegend mitentwickelten Magnonik, bei der Magnonen als Informationsträger und -Überträger dienen. In den neuen Forschungsarbeiten gelang es nun, in dem besonderen makroskopischen Quantenzustand eines magnonischen Bose-Einstein-Kondensats eine Phasengradienten so zu erzeugen, dass der Nachweis eines Suprastroms gelang. Supraströme können im Idealfall ohne Energieverlust Informationen übertragen. Daher hat die Entdeckung beispielsweise große Relevanz für die Entwicklung neuer Technologien für Logikgatter, die derzeit als Alternative für die bestehenden Halbleiter-basierte Informationstechnologien untersucht werden.

Die Studien wurden in der hochangesehenen Fachzeitschrift Nature Physics veröffentlicht:
Supercurrent in a room-temperature Bose–Einstein magnon condensate, Dmytro A. Bozhko, Alexander A. Serga, Peter Clausen, Vitaliy I. Vasyuchka, Frank Heussner, Gennadii A. Melkov, Anna Pomyalov, Victor S. L’vov and Burkard Hillebrands, Nature Physics 2016 http://dx.doi.org/10.1038/nphys3838

Die Forschungsergebnisse sind zentrale Vorarbeiten für den von Hillebrands kürzlich eingeworbenen ERC Advanced Grant „SuperMagnonics“ der Europäischen Union. Die am Fachbereich Physik der TU Kaiserslautern durchgeführten Arbeiten sind eingebettet in das Landesforschungszentrum OPTIMAS der Forschungsinitiative Rheinland-Pfalz.

Was ist ein Suprastrom?
Ein Suprastrom fließt in einem sogenannten makroskopischen Quantenzustand. Dieses nur mit Hilfe der Quantenmechanik zu verstehende Objekt hat makroskopische Ausdehnungen, kann sich z.B. über ein ganzes Bauteil erstrecken und wird durch eine kohärente Wellenfunktion beschrieben. Sogenannte Suprastrom-Transportphänomene treten auf, wenn die Phase der Wellenfunktion zu einer räumlichen Änderung gezwungen wird. Der Mechanismus ist damit ein gänzlich anderer wie in konventionellen elektrischen Leitern, in denen ein Ladungsstrom durch eine Potentialdifferenz erzeugt wird.

Was sind Bose-Einstein-Kondensate?
Gase gehen beim Abkühlen in die flüssige oder sogar feste Phase über. Neben diesen fundamentalen Zustandsformen eines Stoffes beschreibt die Quantenphysik einen weiteren Aggregatzustand – das Bose-Einstein-Kondensat (für Teilchen mit ganzzahligem Spin). Es entsteht sowohl aus realen Gasen als auch aus Gasen von Quasiteilchen, wie z.B. Exzitonen, Polaritonen oder Magnonen. Ähnlich wie das Schwarmverhalten von Vögeln, wo sich im Herbst tausende Tiere zu einem Schwarm vereinen, können bei der Bose-Einstein-Kondensation Gasteilchen eine kollektive Phase einnehmen, in der alle Teilchen die gleiche Energie und den gleichen Impuls besitzen. Während die Bose-Einstein-Kondensation von realen Teilchen bei tiefen Temperaturen stattfindet, kann sie bei Quasiteilchen schon bei Raumtemperatur beobachtet werden. Das macht ihre Untersuchung bei weitem einfacher.