Neue Theorie eindimensionaler Anyonen auf einem optischen Gitter
Physiker der Technischen Universität Kaiserslautern und der Universität Hamburg konnten theoretische und experimentell zugängliche Eigenschaften von Anyonen in eindimensionalen optischen Gittern zeigen. Diese stehen zweidimensionalen Modellen um nichts nach. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht.
Quantenmechanische Teilchen besitzen keinen genauen Aufenthaltsort oder Impuls. Es gibt nur Aufenthaltswahrscheinlichkeiten, die durch sogenannte Wellenfunktionen beschrieben werden. Wenn ununterscheidbare Teilchen betrachtet werden, müssen Vielteilchen-Wellenfunktionen gefunden werden, die ihre Eigenschaften nicht ändern, wenn man zwei oder mehrere Teilchen vertauscht. Das führte zur Einteilung in Teilchen mit symmetrischen Wellenfunktionen, den Bosonen, und Teilchen mit antisymmetrischen Wellenfunktionen, den Fermionen, wie bereits in den 1940er Jahren bewiesen wurde.
Dieser Beweis gilt in drei oder mehr Raumdimensionen und erlaubt in niedrigen Raumdimensionen die Existenz von Teilchen, die weder Bosonen noch Fermionen sind.
Diese sogenannten Anyonen wurden exklusiv in zwei Raumdimensionen vermutet. Im eindimensionalen Raum kann keine Statistik definiert werden, ohne die Wechselwirkungen des Systems zu berücksichtigen, da die Teilchen miteinander kollidieren müssen, um vertauscht zu werden. Der indische Physiker Anjan Kundu beschrieb im Jahr 1999 ein Modell solcher eindimensionaler Anyonen. Allerdings erntete Kundus Modell Kritik und wurde von anderen Forschenden als unrealistisch und als akademische Spielerei abgetan. Gründe dafür waren mathematisch nicht wohl definierte Wechselwirkungen, sowie die fehlende Periodizität im statistischen Parameter, der die Phase der Wellenfunktion unter Vertauschung definiert. Damit blieb die Existenz solcher eindimensionaler Anyonen in realen kontinuierlichen Systemen bis heute ungeklärt.
Die Wissenschaftler aus Kaiserslautern und Hamburg fanden nun heraus, dass eindimensionale Anyonen auf einem optischen Gitter diese beiden Probleme elegant umgehen können. In der Theorie konnten die Forschenden zeigen, dass die mathematisch nicht wohldefinierten Wechselwirkungen, die bei Kundu auftraten, durch das optische Gitter festgelegt werden können, und damit prinzipiell in ultrakalten Gasen realisierbar sind. „Wir freuen uns besonders, dass Kundus Modell in unserer Theorie als Spezialfall enthalten ist“, sagt Martin Bonkhoff, Erstautor der Publikation von der Universität Kaiserslautern. „Damit werten wir sein Modell posthum von einer akademischen Spielerei zu einer experimentell zugänglichen Theorie auf.“
„Wir hoffen nun, diese Erkenntnisse in neuen Quantentechnologien umsetzen zu können“, ergänzt Dr. Thore Posske, Co-Autor von der Universität Hamburg.
Original Publikation
Bosonic Continuum Theory of One-Dimensional Lattice Anyons,
M. Bonkhoff, K. Jägering, S. Eggert, A. Pelster, M. Thorwart, and T. Posske,
Phys. Rev. Lett. 126, 163201 (2021).
DOI: https://doi.org/10.1103/PhysRevLett.126.163201
Fragen beantwortet:
Prof. Dr. Sebastian Eggert
Fachgebiet Grundlagen der Festkörper und Vielteilchensysteme
Tel.: 0631 205-2375
E-Mail: eggert(at)physik.uni-kl.de