Starke Verdampfungskühlung ultra-heißer Magnonengase
Elektrischen Strom verlustfrei transportieren oder Atomlaser für höchstgenaue Messungen entwickeln: Das und vieles mehr ermöglicht das Bose-Einstein-Kondensat. Seit es 1924 als Theorie beschrieben wurde, fasziniert es Forscherinnen und Forscher.
Kürzlich durchgeführte Experimente mit Magnonengasen zeigen, dass das System bei der Injektion von diesen Quasiteilchen einen überhitzten Zustand von ca. 30.000 °C enthält. Nach der Injektion kommt es zu einem drastischen Anstieg der Dichte der Magnonen im Bose-Einstein-Kondensat, der mit einem starken Temperaturabfall des überhitzten Zustands einhergeht. Mit ihren Ergebnissen widerlegen die Forscher die bisher angenommene gleichmäßige Temperaturverteilung in einem derartigen System.
Gase gehen beim Abkühlen in die flüssige oder sogar feste Phase über. Neben diesen fundamentalen Zustandsformen eines Stoffes beschreibt die Quantenphysik einen weiteren Aggregatzustand – das Bose-Einstein-Kondensat (für Teilchen mit ganzzahligem Spin). Es entsteht sowohl aus realen Gasen als auch aus Gasen von Quasiteilchen, wie z.B. Exzitonen, Polaritonen oder Magnonen. Physiker aus den USA (Oakland University), der Ukraine (Taras Shevchenko National University, Kiew) und von der TU Kaiserslautern (Fachbereich Physik und Landesforschungszentrum OPTIMAS) stellen ein neues physikalisches Modell des Kondensationsprozesses in Quasiteilchen-Gasen vor. Sie postulieren darin einen neuen Prozess der Verdampfungskühlung als Ursache für die Ausbildung der Kondensat-Phase, den sie am Beispiel eines Magnonengases experimentell untersucht haben.
Ähnlich wie das Schwarmverhalten von Vögeln, wo sich im Herbst tausende Tiere zu Schwärmen vereinen, können bei der Bose-Einstein-Kondensation Gasteilchen eine kollektive Phase einnehmen, in der alle Teilchen die gleiche Energie und den gleichen Impuls besitzen. Während die Bose-Einstein-Kondensation von realen Teilchen bei tiefen Temperaturen stattfindet, kann sie bei Quasiteilchen schon bei Raumtemperatur beobachtet werden. Das macht ihre Untersuchung bei weitem einfacher und setzt, um die Dichte des Gases zu erhöhen, lediglich eine Erhöhung der Teilchenzahl von außen voraus.
In einer Studie relativieren A. A. Serga und Kollegen die zu allgemeine Annahme, dass die von außen in ein Magnonengas eingebrachten Quasiteilchen ihre Temperatur gleichmäßig an das Gesamtsystem angleichen. Vielmehr bilden die injizierten Magnonen einen überhitzten Zustand innerhalb eines schmalen Energiebereichs, dem eine Temperatur von ca. 30.000 °C zugeordnet werden kann. Dieser ist somit viel heißer als das restliche System bei Raumtemperatur. Das zeitliche Verhalten der Magnonendichte nach dem Ausschalten der Teilcheninjektion offenbarte einen rasanten Anstieg in der Dichte der kondensierten Magnonen. Die effektive Temperatur des überhitzten Gases wird dabei signifikant reduziert, was zur Bose-Einstein-Kondensation führt. Die Forscher führen dieses Verhalten auf eine Kopplung zwischen dem überhitzten und dem restlichen Teil des Gases zurück, welche sie als „starke Verdampfungskühlung“ bezeichnen.
Die Untersuchungen wurden kürzlich in der angesehenen Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht:
A.A. Serga, V.S. Tiberkevich, C.W. Sandweg, V.I. Vasyuchka, D.A. Bozhko, A.V. Chumak, T. Neumann, B. Obry, G.A. Melkov, A.N. Slavin, and B. Hillebrands: Bose-Einstein condensation in an ultra-hot gas of pumped magnons, Nat. Commun. 5, 3452 (2014)
Weitere Information:
Dr. Oleksandr Serha, Tel.: 0631/205-3112, E-Mail: serga(at)physik.uni-kl.de