WIE SICH METALLATOME AUF EINEM ISOLATOR ORDNEN KÖNNEN

Für ihre Studie arbeiten die Wissenschaftler*innen mit einem Rasterkraftmikroskop. Foto: Universität Bielefeld/M.-D. Müller

OPTIMAS-Mitglieder veröffentlichen Studie in Nature Communications

Um in Zukunft winzig kleine elektronische Speicher oder Sensoren herzustellen, ist es entscheidend, einzelne Metallatome auf einer isolierenden Schicht anordnen zu können. OPTIMAS Wissenschaftler haben nun nachgewiesen, dass dies bei Zimmertemperatur gelingt: Moleküle der metallhaltigen Verbindung Molybdänacetat bilden auf dem Isolator Calcit eine geordnete Struktur, ohne an andere Positionen zu springen oder sich zu drehen. Ihre Ergebnisse präsentierten die Wissenschaftler*innen am 21.12.2020 im Fachmagazin Nature Communications. Die Arbeit ist in Kooperation mit Forschenden der Universitäten Bielefeld, Lincoln (Großbritannien) und Mainz entstanden.

"Bisher ist es schwierig, Metallatome auf einer Isolatoroberfläche anzuordnen. Auf einer Metalloberfläche ist das leichter, nützt aber für die Anwendung in elektronischen Bauteilen nicht so viel", sagt Prof. Dr. Benjamin Stadtmüller, Co-Leiter der Arbeitsgruppe Ultraschnelle Phänomene an Oberflächen am Fachbereich Physik an der TU Kaiserslautern. "Das ist das Besondere an unserer Studie: Wir haben eine Möglichkeit gefunden, wie Metallatome auf Isolatoren in einer gitterartigen Struktur angeordnet werden können." Isolatoren sind Materialien, in denen sich Elektronen nicht frei bewegen können und die daher nur sehr schlecht Strom leiten.

Die Schwierigkeit besteht darin, die Metallatome auch bei Zimmertemperatur stabil zu verankern, ohne dass sie sich untereinander anziehen, an andere Positionen springen oder sich drehen. Bisher konnten Wissenschaftler*innen bei sehr tiefen Temperaturen kleine Moleküle auf Isolatoren anordnen, bei Zimmertemperatur waren diese jedoch zu beweglich. Größere Moleküle lösten das Problem der Beweglichkeit, bilden aber schnell Cluster, also eine Ansammlung vieler Moleküle.

Die Wissenschaftler*innen verwendeten für ihre Ergebnisse Molybdänacetat, eine Verbindung, die jeweils zwei Atome des Metalls Molybdän enthält. Dass diese Verbindung interessante strukturelle Eigenschaften auf einer Goldoberfläche zeigt, wurde in Kaiserslautern schon früher gezeigt. "Wird Molybdänacetat nun auf eine Calcit-Oberfläche aufgebracht, bilden die Moleküle eine geordnete Struktur. Damit sind auch die Molybdän-Atome angeordnet", sagt Dr. Simon Aeschlimann, der in Prof. Kühnles Arbeitsgruppe in Bielefeld geforscht hat und Erstautor der veröffentlichten Studie ist. "Mit verschiedenen Experimenten und Simulationen konnten wir zeigen, dass die Molybdänacetat-Moleküle weder springen oder sich drehen, noch Cluster bilden. Sie sind fest auf der Calcit-Oberfläche verankert."

Die Experimente haben die Wissenschaftler*innen mithilfe eines Rasterkraftmikroskops durchgeführt. "Bei der Rasterkraftmikroskopie tastet eine winzig kleine Nadel die Oberfläche von Materialien ab - wie bei einem Schallplattenspieler, nur dass die Nadel die Oberfläche nicht direkt berührt, sondern durch atomare Kräfte ausgelenkt wird. Dies erzeugt dann ein Bild der Oberflächenstruktur", sagt Simon Aeschlimann. So haben die Wissenschaftler*innen zum Beispiel untersucht, wo sich die Molybdänacetat-Moleküle auf der Calcit-Oberfläche befinden und in welche Richtung sie sich ausrichten. Die geordnete Struktur entsteht, weil sich die Molybdänacetat-Moleküle passgenau zur Ladungsverteilung der Calcit-Oberfläche ausrichten. Calcit besteht aus Calcium- und Carbonat-Bausteinen, die eine regelmäßige Gitterstruktur bilden. "Jedes Molybdänacetat-Molekül passt nur an eine ganz bestimmte Stelle auf der Calcit-Oberfläche und wechselwirkt gleichzeitig nicht mit seinen benachbarten Molybdänacetat-Molekülen. Dadurch ist es fest verankert".

Die Autoren interessieren sich für die Frage, wie sich molekulare Strukturen auf Oberflächen oder Grenzflächen bilden. Für elektronische Anwendungen sind die Ergebnisse aber auch relevant: Lassen sich nach dem gleichen Prinzip zum Beispiel magnetische Metalle anordnen, könnte das genutzt werden, um Datenspeicher im Nanometerbereich herzustellen - also Speicher, die nur wenige Millionstel Millimeter groß sind. Andere Anwendungsmöglichkeiten sind optische oder chemische Sensoren.

Originalveröffentlichung:
Simon Aeschlimann, Sebastian V. Bauer, Maximilian Vogtland, Benjamin Stadtmüller, Martin Aeschlimann, Andrea Floris, Ralf Bechstein, Angelika Kühnle: Creating an Array of Metal-Complexing Molecules on an Insulator Surface at Room Temperature. Nature Communications, https://doi.org/10.1038/s41467-020-20189-x, veröffentlicht am 21. Dezember 2020.

 

Fragen beatwortet:
Prof. Dr. Benjamin Stadtmüller, TU Kaiserslautern
Fachbereich Physik
Telefon: 0631 205-2344
E-Mail: bstadtmueller(at)physik.uni-kl.de

Für ihre Studie arbeiten die Wissenschaftler*innen mit einem Rasterkraftmikroskop. Foto: Universität Bielefeld/M.-D. Müller