Studie: Halbleiter-Laser zeigt Eigenschaften eines Bose-Einstein-Kondensats von Photonen

Das Team um Aleksandra Piasecka, Professor Tomasz Czyszanowski, Professor Maciej Pieczarka und Privatdozent Axel Pelster (v.l.n.r.) hat sich mit dem Nachweis eines Bose-Einstein-Kondensats von Photonen in einem Halbleiterlaser befasst. Das Foto entstand im Mai 2024 bei einer Konferenz in Bad Honnef.

Das Landesforschungszentrum OPTIMAS an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau fördert schwerpunktmäßig Forschung an der Schnittstelle von Optik und Materialwissenschaft. Hierzu trägt der Kaiserslauterer theoretische Quantenphysiker und OPTIMAS-Mitglied Privatdozent Axel Pelster mit einer aktuellen Forschungsarbeit bei, die in Zusammenarbeit mit experimentellen Kollegen der Technischen Universitäten Berlin, Łódź und Wrocław entstanden ist. Darin wird gezeigt, dass das Licht einer Laserdiode auch die Eigenschaften eines Bose-Einstein-Kondensats (BEKs) von Photonen haben kann. Die entsprechende Veröffentlichung ist im renommierten Fachmagazin „Nature Photonics“ erschienen.

Bose-Einstein-Kondensation: Atome versus Photonen

Kühlt man Bosonen ab, so führt deren Ununterscheidbarkeit zu beeindruckenden Quanteneffekten. Insbesondere überlappen die Wellenfunktionen einzelner Bosonen im Grundzustand und bilden eine einzige makroskopische Welle aus, die das kollektive kohärente Verhalten der Teilchen beschreibt. Dieses makroskopische Quantenphänomen der Bose-Einstein-Kondensation wurde 1995 bei bosonischen Alkaliatomen in magneto-optischen Fallen bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt realisiert. In 2010 gelang dies an der Universität Bonn dann auch bei Photonen, den Quanten des Lichts, in einer mit Farbstoff gefüllten Mikrokavität bei Raumtemperatur. Beobachtet man das Spektrum der Photonen, die die Mikrokavität verlassen, so entspricht dieses einer Bose-Einstein-Verteilung. Damit handelt es sich überraschenderweise um den thermodynamischen Gleichgewichtszustand eines eigentlich offen-dissipativen Vielteilchen-Quantensystems. Da die Photonen von den Farbstoffmolekülen ständig absorbiert und emittiert werden, thermalisiert das Photonengas, während gleichzeitig das Pumpen der Mikrokavität mit einem Laser die Verluste durch die Spiegel ausgleicht. Ein Experiment zu Bose-Einstein-Kondensaten von Photonen in mit Farbstoff gefüllten Mikrokavitäten wurde kürzlich auch in der Kaiserslauterner Arbeitsgruppe von OPTIMAS-Mitglied Professor Georg von Freymann aufgebaut. Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs OSCAR untersuchen er und Axel Pelster in einem gemeinsamen Projekt die emergente Phasen von Gitterstrukturen getriebener, dissipativer Photonengase.

VCSEL

„Meine experimentellen Kollegen um Professor Maciej Pieczarka von der Technischen Universität Wrocław stellten sich nun die Frage, ob solche Bose-Einstein-Kondensate von Photonen auch bei Lasern auftreten könnten“ berichtet Axel Pelster. Um dies zu klären, untersuchten sie systematisch VCSEL (Akronym für Vertical-Cavity Surface-Emitting Laser). Es handelt sich dabei um eine Laserdiode, bei der das Licht senkrecht zur Ebene des Halbleiterchips abgestrahlt wird. Dieser spezielle Halbleiter-Laser im nahen Infrarot stellt die Schlüsseltechnologie für einen weltweit schnell wachsenden Markt dar, dessen Umsatz in diesem Jahr voraussichtlich 2 Milliarden Euro überschreiten wird. So werden VCSEL z.B. bei Laserdruckern, bei der Glasfaser-Datenübertragung, bei der Gesichtserkennung zum Entsperren von Smartphones oder beim kontaktlosen Bezahlen sowie bei der Navigation autonomer Fahrzeuge verwendet.

Laser oder Bose-Einstein-Kondensat?

Das Herzstück des VCSEL besteht aus einem Quantentopf mit einer n-dotierten GaAs Region, die sich innerhalb einer Mikrokavität befindet. Absorption und Emission von Photonen, die von den beiden Spiegeln reflektiert werden, führt zur Erzeugung und Vernichtung von Elektronen und Löchern im Leitungs- und Valenzband des Quantentopfs. Für die Funktionsweise des VCSEL ist nun die Verstimmung entscheidend, also die Energiedifferenz zwischen der Photonenenergie und der Anregungsenergie des Quantentopfes. Sie lässt sich über den Abstand zwischen den Spiegeln verändern, da dieser die Photonenenergie bestimmt. Genaue experimentelle Untersuchungen zeigen bei negativer (positiver) Verstimmung, dass das aus dem VCSEL austretende Licht die Eigenschaften eines Lasers (BEKs) besitzt. So findet man im Falle einer positiven Verstimmung, dass während der Lebensdauer der Photonen so viele Elektron-Loch-Paare angeregt werden, dass eine effektive Thermalisierung zu einer Bose-Einstein-Verteilung erfolgen kann. Dabei zeigt sich aber im Unterschied zu den mit Farbstoff gefüllten Mikrokavitäten, dass die resultierende spektrale Temperatur im Vergleich zur Umgebungstemperatur signifikant kleiner ist. Ein tieferes Verständnis für diese verblüffende Beobachtung steht zurzeit noch aus.

Für die Bose-Einstein-Kondensation der Photonen ist außerdem entscheidend, dass die longitudinale Komponente des Wellenvektors durch die Randbedingungen an den Spiegeln festgelegt wird, während in transversaler Richtung keinerlei Einschränkungen vorliegen. Für genügend langwellige transversale Anregungen ähnelt daher die dreidimensionale relativistische Dispersionsrelation masseloser Photonen näherungsweise der eines zweidimensionalen Gases nichtrelativistischer massiver Teilchen. Die resultierende effektive Masse entspricht etwa einem Hunderttausendstel der Masse eines Elektrons. Durch die Bestimmung der Zustandsdichte der Photonen in den VCSEL-Experimenten konnte die effektive Zweidimensionalität des Photonengases bestätigt werden.

Ausblick

Die hier besprochene Publikation ist in „Nature Photonics“ zeitgleich mit einer unabhängig davon durchgeführten ähnlichen Studie erschienen, bei der die Experimente unter Federführung des Imperial College in London stattfanden. Beide Forschungsarbeiten zeigen eindrucksvoll, dass photonische Bose-Einstein-Kondensate auch in Halbleiterlasern auftreten können. Dies eröffnet zum einen die Möglichkeit, durch eine geeignete Wahl des Halbleitermaterials größere Photon-Photon-Wechselwirkungsstärken zu realisieren. Gegebenenfalls lässt sich dadurch künftig die Superfluidität eines schwach wechselwirkenden Photonen-Gases durch die Beobachtung gequantelter Wirbel nachweisen. Zum anderen verspricht die natürliche Integration eines Bose-Einstein-Kondensats von Photonen in die Halbleitertechnologie potentiell interessante Anwendungen.

Bibliographische Informationen zur erschienenen Studie:

Bose-Einstein condensation of photons in a vertical-cavity surface-emitting laser
M. Pieczarka, M. Gębski, A.N. Piasecka, J.A. Lott, A. Pelster, M. Wasiak, and T. Czyszanowski
Nature Photonics, Published online 12. August 2024
https://doi.org/10.1038/s41566-024-01478-z

Bose-Einstein condensation of light in a semiconductor quantum well microcavity
R.C. Schofield, M. Fu, E. Clarke, I. Farrer, A. Trapalis, H.S. Dhar, R. Mukherjee, T.S. Millard, J. Heffernan, F. Mintert, R.A. Nyman, and R.F. Oulton
Nature Photonics, Published online 12. August 2024
https://doi.org/10.1038/s41566-024-01491-2

Fragen beantwortet:

Priv.-Doz. Dr. Axel Pelster

Tel.: 0631 205 2270

E-Mail: axel.pelster(at)rptu.de

Das Team um Aleksandra Piasecka, Professor Tomasz Czyszanowski, Professor Maciej Pieczarka und Privatdozent Axel Pelster (v.l.n.r.) hat sich mit dem Nachweis eines Bose-Einstein-Kondensats von Photonen in einem Halbleiterlaser befasst. Das Foto entstand im Mai 2024 bei einer Konferenz in Bad Honnef.